Soja, Soja und nochmals Soja..

In Argentinien werden beim Soja-Anbau fast einhundert Prozent gentechnisch veränderte Sorten eingesetzt. Das Land ist nach Brasilien und den Vereinigten Staaten der drittgrößte Lieferant für Sojaprodukte weltweit. Gleichzeitig wurde in den vergangenen Jahren von hungernden Bevölkerungsgruppen berichtet. Der GID hatte Gelegenheit, mit der argentinischen Molekularbiologin Lilian Joensen über die Hintergründe zu sprechen.

Das weltgrößte Unternehmen für gentechnisch verändertes Saatgut, der US-amerikanische Konzern Monsanto, hat Ende des vergangenen Jahres angekündigt, auf dem argentinischen Markt kein gentechnisch verändertes Soja mehr zu verkaufen. Wie ist es dazu gekommen?

Monsanto hat bisher in Argentinien keine Lizenzgebühren für sein gentechnisch verändertes Saatgut eingefordert. Die argentinischen Bauern haben Teile ihrer Soja-Ernten wieder ausgesät, getauscht und gehandelt, wie sie es immer getan haben. Das war von Monsanto bisher auch akzeptiert worden, obwohl die ungleiche Behandlung die nordamerikanischen Bauern sehr geärgert hat. Jetzt hat der Konzern angekündigt, kein gentechnisch verändertes Soja mehr zu verkaufen, bis Lizenzgebühren bezahlt werden.

Woher kam die bisherige Zurückhaltung?

Wir bewerten es als Strategie, mit der unser Markt mit dem gentechnisch veränderten Saatgut überschwemmt werden sollte. Man kann das Gleiche in anderen Ländern beobachten. In Brasilien, das erst im letzten Jahr und zunächst auch nur befristet den Anbau des gentechnisch veränderten Sojas legalisierte, hat Monsanto den "bolsa-blanca-Markt", den Markt der weißen Säcke - als Zeichen von nicht-zertifiziertem Saatgut - in den Neunzigern toleriert, wenn nicht unterstützt. Gleiches in Paraguay, wo der Anbau gentechnisch veränderter Sorten bis heute verboten ist.

Wie ist die Situation heute?

Der Konzern hat den Verkauf des Soja-Saatguts gestoppt. Dazu muss man allerdings wissen, dass Monsanto nur fünfzehn Prozent des in Argentinien verwendeten Roundup Ready (RR)-Soja-Saatgutes verkauft hat. Sein Hauptgeschäft macht der Konzern in unserem Land mit dem Verkauf des zugehörigen Herbizids, dem Glyphosat oder Roundup, wie es auch genannt wird. Die Regierung hat aber inzwischen angekündigt, bis zu 34 Millionen US-Dollar an Lizenzgebühren für Monsanto und andere Saatgutunternehmen zu sammeln.

Das heißt, es gibt noch andere Firmen, die das RR-Soja-Saatgut auch in Zukunft verkaufen werden?

Genau, es sind hauptsächlich drei Firmen, die sich diesen Markt in Argentinien teilen: das niederländische Unternehmen "Nidera" und die beiden argentinischen Firmen "Asociados Don Mario" und "Relmo", die beiden letzteren haben ihrerseits die Rechte an der Roundup-Technologie von Monsanto gekauft. Nidera nutzt die Roundup Ready-Technologie auf Grund einer Lücke in der argentinischen Rechtssprechung. Monsanto hat nun angekündigt, sich in Argentinien auf den Verkauf von gentechnisch verändertem Mais, ebenfalls als Roundup Ready-Version, zu konzentrieren. Dieser trägt sowohl das neue Gen für die Herbizid-Resistenz, als auch ein anderes, das eine Resistenz gegen Insekten vermittelt. Auch Sorghum und Sonnenblumen sollen als gentechnisch veränderte Sorten angeboten und angebaut werden. Bei allen dreien ist der Nachbau - die Verwendung der Ernte als Saatgut durch die Bauern - nicht möglich, da sie als Hybrid-Sorten angebaut werden, bei denen das Saatgut immer aus den Eltern-Sorten neu gezüchtet werden muss.

Welche Strategie vermuten Sie hinter diesem Schritt von Monsanto?

Wir von der "Grupo de Reflexión Rural", die wir schon oft versucht haben, abzuschätzen , wie die Zukunft der Soja-Monokultur aussehen wird, fragen uns, ob Monsanto das sinkende Schiff verlässt, bevor der Soja-Anbau in unserem Land von einem wirklich schlimmen Rostpilz betroffen sein wird oder bevor es zum Kollaps der sehr intensiv landwirtschaftlich genutzten Böden kommt. Eine andere Frage, die wir uns stellen ist, ob es sich gar um eine Erpressungs-Strategie der Regierung unter Präsident Nestor Kirchner handelt, das Recht unserer Bauern einzuschränken, sich Saatgut zurückzuhalten.

Wie nahm die Entwicklung ihren Anfang?

In den frühen neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts führte die Regierung unter Carlos Menem eine Politik ein, die im Wesentlichen vom internationalen Währungsfond und der Weltbank mitbestimmt wurde. Privatisierung war – wie auch in anderen lateinamerikanischen Ländern - eines der zentralen Programme. Neben der Privatisierung des öffentlichen Transports, des Bergbaus und vieler anderer Bereiche wurden die Mittel für das Gesundheitssystem sowie für den Bildungs- und Forschungs-Sektor gekürzt. WissenschaftlerInnen, denen der Verlust ihrer Stellungen und ihrer Forschungs-Ressourcen drohte, wurden von den großen Agrar-Konzernen aufgenommen. So entstand eine Allianz von Interessen. Die Wissenschaftler saßen in den Gremien, die die Feldversuche genehmigten. Zentral ist dabei die Rolle des "National Advisory Committee on Agriculural Biotechnology" (CONABIA - Nationales Beratungskomitee für Agrar-Biotechnologie). Dieses Gremium genehmigte hunderte von Feldversuchen mit gentechnisch veränderten Sorten. Aber die Leute in dem Gremium sind nicht unabhängig, ihre Jobs hängen direkt von der Biotechnologie ab.

Sie sprachen von einem neuen Rostpilz, wie ist die Situation mit Schädlingen auf den Soja-Feldern?

Mittlerweile haben wir vierzehn verschiedene Unkräuter, die gegen das Roundup resistent geworden sind, der Verbrauch des Herbizids ist seit dem ersten Anbau 1997 um das fünffache angestiegen.

Die Reduzierung der eingesetzten Spritzmittel ist immer eines der zentralen Argumente für den Einsatz gentechnisch veränderter Pflanzen gewesen...

...und Argentinien ist der Beweis, dass dieses Argument nicht haltbar ist. Es werden auch andere Herbizide eingesetzt, das 2,4D (1) oder das Atrazin (2). Und zu guter Letzt: Gegen das Roundup-resistente Soja, das außerhalb der eigentlichen Saison wächst, wird das hochgiftige Paraquat (3) eingesetzt. Außerdem kommen die Probleme mit einem neuen Pilz hinzu.

Wie war die Situation, bevor in Argentinien in großem Maße Soja angebaut wurde?

Es gab ein extensives Agrar-System, in dem sich eine Bewirtschaftung mit Tieren und der Anbau von Pflanzen abwechselten. Die Böden konnten sich regenerieren. Diese Art der Landwirtschaft verzichtet vollständig auf synthetischen Dünger und der Einsatz von Pestiziden ist minimal. Zu Beginn der achtziger Jahre stiegen die Preise für Ölsaaten und Getreide auf dem Weltmarkt. Damit begann der Niedergang der Bewirtschaftung mit Rotation zwischen Viehhaltung und Pflanzenbau. Gleichzeitig wurde die "no-till"-Landwirtschaft, bei der auf das Pflügen des Bodens verzichtet wird, als umweltfreundliche Anbauart propagiert, da sie weniger Erosion mit sich bringt. Jetzt haben wir auf Millionen und Abermillionen Hektar das gleiche Anbau-System, eine Monokultur, die uns neue Probleme gebracht hat: neue Schädlinge, resistente Unkräuter.

Wer sind die Bauern, die das Soja für den Weltmarkt anbauen?

Es sind nicht Landwirte im europäischen Sinne. Es sind große Unternehmen, die das Land der verarmten Landbevölkerung pachten. In Argentinien sind dies oft Firmen aus anderen Ländern, aus Spanien oder den USA. Sie besitzen nicht das Land, sie besitzen die Infrastruktur für Handel und Vertrieb, sie bringen das gentechnisch veränderte Saatgut und die Chemikalien, Spritz- und Düngemittel, mit und sie besitzen die Maschinen. Diese werden von Region zu Region verbracht, da bei uns - durch die Größe des Landes - die Jahreszeiten nicht im ganzen Land synchron ablaufen.

Argentinien ist bei uns traditionell bekannt für seine Exporte von Rindfleisch, das sich auch in Europa großer Beliebtheit erfreut.

Die argentinische Landwirtschaft hat sich in dieser Hinsicht sehr verändert. Tatsächlich exportieren wir jetzt in erster Linie Soja, Soja und nochmals Soja. Das Soja wird in Mühlen gepresst, das Öl geht in die Produktion von Lebensmitteln, das Sojaschrot wird als Tierfutter genutzt - auf dem asiatischen aber auch auf dem europäischen Markt. Die Rinderbestände bei uns sind stark zurückgegangen. Und: Wir sind nicht mehr in der Lage, unsere eigene Bevölkerung zu ernähren. Mittlerweile sind viele Produkte sehr teuer und die letzten Zahlen besagen, dass vierundfünfzig Prozent unserer Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben. Vierundfünfzig Prozent! In den siebziger und achtziger Jahren waren es nur fünf, beziehungweise dreizehn Prozent. Argentinien produzierte genug Lebensmittel von hoher Qualität für die eigene Bevölkerung und konnte zusätzlich die achtfache Menge des eigenen Bedarfs exportieren. Nun gibt es in unserem Land Hunger. Wir können nicht sagen, dass das gentechnisch veränderte Soja dafür verantwortlich ist. Was wir aber sagen können ist, dass es uns nicht davor bewahrt hat und dass es bei uns Hunger früher nicht gegeben hat.

Und die treibende Kraft dahinter...

...ist der hohe Weltmarktpreis für das Soja. Dieser macht es so lukrativ, auf Soja zu setzen ohne den Blick auf den Bedarf im eigenen Land zu richten. Die Soja-Firmen versuchen, immer mehr Land für die Produktion zu bekommen und sie schrecken auch nicht vor dem Einsatz von Gewalt zurück: In allen Regionen des Landes kann man in den Zeitungen lesen, dass Menschen von dem Land vertrieben werden, das ihnen zusteht.

Wie ist der Besitz des Landes geregelt?

Es gibt bei uns ein Gesetz, das besagt, wenn jemand nachweisen kann, seit zwanzig Jahren an einem Ort gelebt zu haben, kann er sich als Besitzer desselben registrieren lassen. Die Evidenz dieses Anspruchs wird häufig durch Gewalt zerstört. Die Soja-Firmen engagieren paramilitärische Gruppen, die Häuser abbrennen oder niederreißen, Vieh stehlen oder ähnliches.

Und die Regierung...

Die Regierung schickt eine Kommission für Menschenrechte, die das alles fein säuberlich dokumentiert, so geschehen in der Provinz Santiago del Estero. Die Menschen dort leben weit entfernt von ihren Nachbarn und es ist nicht leicht, sich gegenseitig zu unterstützen, auch wenn man sich mittlerweile besser organisiert, es passiert in der Regel zu schnell.

Was könnte ein Weg für Argentinien sein?

Argentinien sollte beginnen, für einen lokalen Markt zu produzieren bevor es an den Export denkt. Es sollte zurückkehren zu einer Produktion diverser Produkte, pflanzlicher und tierischer Art. Gleichzeitig sollte die Rotation wieder eingeführt werden. Argentinien sollte die Lebensmittel produzieren, die von argentinischen Menschen gegessen werden und erst mögliche Überschüsse exportieren.

Kein leicht zu erreichendes Ziel...

Das Problem einer solchen Strategie liegt in der großen Abhängigkeit unseres Landes von den transnationalen Konzernen und ihrem "goodwill". Sie haben nur ihren Profit im Blick. Die Landwirtschaft ist privatisiert, und es gibt keinen leichten Weg aus dieser Abhängigkeit. Keine Regierung unternimmt ernsthafte Schritte gegen die "transnationals". Sie haben Angst vor den Konsequenzen und es ist zu erwarten, dass die großen Konzerne in höchst unangenehmer Weise reagieren werden.

Sie sind momentan mit der deutschen Organisation "Brot für die Welt" auf einer Info-Tour durch Deutschland. Was war die Motivation für diese Kooperation?

So wie ich es verstehe, zeigen wir der deutschen Öffentlichkeit eine Perspektive auf das Gentechnik-Thema aus der Perspektive der Dritte-Welt-Länder. Gerade jetzt, wo an der "Idee" gearbeitet wird, dass die gentechnisch veränderten Produkte in den Dritte-Welt-Ländern angebaut und in den Industrie-Staaten verbraucht werden. In diesem Zusammenhang ist auch der Sieg der Industrie zu sehen, dass Produkte von Tieren, die mit gentechnisch veränderten Pflanzen gefüttert wurden, nach dem europäischen Recht nicht gekennzeichnet werden müssen. Dieser Sieg der Industrie bedeutet eine tragische Niederlage für die Landbevölkerung in den Dritte-Welt-Ländern.

Das Interview führte Christof Potthof

  1. Das Herbizid 2,4-D wird mit der Schädigung des Nervensystems in Verbindung gebracht. Bei längerfristiger Vergiftung können auch Nieren- und Leberschäden auftreten. Der US-Grenzwert für 2,4-D im Trinkwasser liegt bei 70 ppb (parts per billion). (Environmental Protection Agency USA)
  2. Das Herbizid Atrazin gilt in mehrerer Hinsicht als giftig. So konnte zum Beispiel eine Verbindung hergestellt werden zwischen Atrazin und einer Entwicklungsstörung bei Frosch-Männchen. Atrazin ist in der Natur sehr lange stabil. In der Europäischen Union hat es mittlerweile seine Zulassung verloren.
  3. Paraquat wird bereits seit den 1960er Jahren wegen seiner gesundheitsschädigenden Wirkung auf Menschen international kritisiert. Gravierende Gesundheitsprobleme wie Nierenversagen, Atemnot, Sehschwäche und schwere Hautverletzungen werden beobachtet. Das Herbizid wird hauptsächlich unter dem Markennamen Gramoxone vom Schweizer Unternehmen Syngenta in über 100 Ländern verkauft. Paraquat wird sowohl auf Plantagen als auch von Kleinbauern unter anderem beim Anbau von Bananen, Kakao, Kaffee, Baumwolle und Palmöl in großen Mengen eingesetzt. (www.pan-germany.org)
GID Meta
Erschienen in
GID-Ausgabe
164
vom Juni 2004
Seite 21 - 23

Lilian G. Joensen ist Molekularbiologin und arbeitet für die Grupo de Reflexión Rural, die das Network for Latin America Free of GMOs (Red por una Latino America Libre de Transgénicos) koordiniert. Sie führte im April 2004 mit der Entwicklungshilfeorganisation "Brot für die Welt" eine Informations-Tour in Deutschland durch.

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