Sollte die DNA aller Babys in Deutschland sequenziert werden?
Neuer Artikel erschienen
Schwere Erkrankungen früher zu diagnostizieren und behandeln ist eine gute Sache. Aber DNA-Daten sind hochsensibel – es steckt sehr viel mehr Information in ihnen und es gibt vielfältige Anwendungsmöglichkeiten. Ein neuer Fachartikel in "Ethik in der Medizin" von GeN-Mitarbeiterin Dr. Isabelle Bartram diskutiert ungewollte negative Effekte von genomischen Neugeborenen-Screening.

Nach der Geburt werden Babys – wenn die Eltern zustimmen – in einem Screening-Test auf bestimmte angeborene Erkrankungen untersucht.
Genetische Daten werden in der Medizin sowohl für die Diagnostik als auch für die Gesundheitsvorsorge immer wichtiger. Mit der Entwicklung von schneller und kostengünstigerer DNA-Sequenzierungstechnologie wurden in mehreren Ländern Vorschläge und Pilotstudien für genomische Neugeborenen-Screening-Programme auf den Weg gebracht, in der Hoffnung auf einen großen medizinischen Nutzen für künftige Generationen. Diese Pläne sind jedoch mit erheblichen ethischen Problemen verbunden, da genetische Daten und Proben hochsensible Informationen enthalten. Dieser Artikel beleuchtet einige Probleme, die mit der systematischen Erhebung genetischer Bevölkerungsdaten im Rahmen von genomischen Neugeborenen-Screenings verbunden sind. Insbesondere bei der mittel- und langfristigen Speicherung sind Effekte nicht nur auf das Individuum und seine unmittelbare Familie zu erwarten, sondern organisierte Sammlungen privater Informationen in diesem Umfang haben auch Auswirkungen auf einer breiteren gesellschaftlichen Ebene. Akademische Wissenschaftler*innen, aber auch privatwirtschaftliche Technologieentwickler*innen und Sicherheitsbehörden generieren derzeit eine Vielzahl von problematischem genetischem Wissen und Anwendungen. Auch wenn diese Bedenken möglicherweise durch einen medizinischen Nutzen aufgewogen werden könnten, sollten sie bei der Konzeption künftiger Projekte berücksichtigt werden, insbesondere im Hinblick auf die sich verändernde politische Landschaft in Deutschland und weltweit. Um mögliche negative Auswirkungen zu antizipieren, sollte die Einbeziehung von Interessengruppen von Patient*innenenvertreter*innen auf andere gesellschaftliche Minderheiten ausgedehnt werden, die von genetischen Daten und Forschung betroffen waren und sind.
Bartram, I. Unintended social effects of newborn genomic data use and storage in the age of sociogenomics and genetic surveillance. Ethik Med (2025). https://doi.org/10.1007/s00481-025-00854-9
Gen-ethisches Netzwerk e.V.