Nächster Schritt im Verfahren um lascheres Gentechnik-Gesetz
Der EU-Rat einigt sich auf eine Position – Trilog kann starten
Der EU-Rat hat sich auf eine lasche Position zur Regulierung von Pflanzen aus neuer Gentechnik geeinigt. Das GeN ist schwer bestürzt: Wichtige Errungenschaften wie das Vorsorgeprinzip, die Wahlfreiheit und Transparenz werden gekippt. Mit der Rats-Position kann nun der EU-Trilog für einen konkreten Gesetzesvorschlag starten.

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Die Mitgliedsländer der EU haben unter der polnischen Ratspräsidentschaft, die seit Anfang des Jahres läuft, im EU-Rat eine gemeinsame Position zu einer angepassten Regulierung der neuen Gentechniken (NGT) gefunden. Der vorgelegte Entwurf wurde am 14. März mit einer knappen Mehrheit der 27 EU-Mitgliedsstaaten angenommen. Belgien fordert Nachbesserungen.
Jetzt wo alle Institutionen ihre Position bezüglich der neuen Regulierung von NGT-Pflanzen gefunden haben, können die Trilog-Verhandlungen zwischen der Kommission, dem Rat und dem Parlament voraussichtlich im April starten. Im nächsten Schritt zur Gesetzesfindung müssen der Rat und das Parlament sich einigen. Die Position vom Vorschlag der Kommission und des Rates liegen nah beieinander, beide sehen eine weitgehende Deregulierung der neuen Gentechniken vor. Das Parlament hingegen möchte eine striktere Regulierung. Strittige Punkte zwischen den drei Positionen sind: Patente, Kennzeichnungspflicht und Opt-out-Möglichkeiten der Länder (Hier mehr Informationen).
Der Kommissionsvorschlag basiert vor allem auf der Gleichstellung von gentechnisch veränderten (gv) Pflanzen, die mittels neuer Gentechnik an bis zu 20 Stellen im Genom verändert wurden, mit konventionell gezüchteten Pflanzen. Damit würde für diese Pflanzen unter anderem eine Risikoprüfung und eine Kennzeichnungspflicht entlang der gesamten Wertschöpfungskette wegfallen. Diese drohende Deregulierung würde auch für Wildpflanzen und Algen gelten.
Der Vorschlag der EU-Kommission und der des EU-Rates sind nach Meinung des GeNs ein Freifahrtschein für die Biotechindustrie. Die willkürliche Grenze von 20 Veränderungen im Genom sagt nichts über ein mögliches Risiko der Pflanzen für Natur und Mensch aus, ermöglicht aber eine weitreichende Veränderung der Pflanzen. Gleichzeitig fallen über 90 Prozent aller sich momentan in der Entwicklung befindlichen NGT Pflanzen unter diese Grenze. Sollte es zu dieser drohenden Deregulierung kommen, hätte dies weitreichende Folgen:
Vorsorgeprinzip: Für alle diese Pflanzen fällt die Risikoprüfung weg. Die neuen oder veränderten Eigenschaften der Pflanzen werden nicht vor dem Anbau auf ihre Wechselwirkungen mit anderen Organismen oder ihre Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit untersucht. Falls es zu ungewünschten Auswirkungen kommt, ist der*die Verursacher*in nicht zu ermitteln und zur Rechenschaft zu ziehen. Dies betrifft landwirtschaftliche Nutzpflanzen, aber auch Wildpflanzen und Algen – zwei Pflanzengruppen mit einem viel höheren Risikopotential.
Transparenz: Es wird sehr schwierig sein, an Informationen über die Pflanzen zu kommen. Die Firmen müssten kein Nachweismaterial hinterlegen, kein Verfahren zur Erkennung der Pflanzen und keine Informationen über die vorgenommenen Veränderungen des Genoms veröffentlichen und kein Monitoring über den Anbau und dessen Auswirkungen betreiben. Dies würde einen großen Einschnitt für die zivilgesellschaftliche Arbeit bedeuten.
Wahlfreiheit: Eine Kennzeichnung soll noch für Saatgut gelten, aber nicht darüber hinaus. Für das weiterverarbeitende Gewerbe, wie Mühlen oder Bäckereien, als auch für die Verbraucher*innen im Geschäft, wird nicht mehr erkenntlich sein, ob Pflanzen oder Teil davon aus neuer Gentechnik entstanden sind. Sie können daher nicht mehr wählen, ob sie diese verwenden möchten, oder nicht.
Koexistenz: Landwirtschaftliche Betriebe, die ohne Gentechnik arbeiten wollen, sehen sich großen Unsicherheiten und finanziellen Belastungen gegenüber, weil für Pflanzen aus neuer Gentechnik keine Abstands- oder Haftungsregeln mehr gelten.
Patente: Gentechnisch veränderte Pflanzen dürfen patentiert werden. Patente schaffen Rechtsunsicherheiten, blockieren den Zugang zu genetischem Material und reduzieren in der Folge die Saatgutvielfalt. Im Zuge der drohenden Deregulierung von NGT-Pflanzen ist mit einer fortlaufenden und sich beschleunigenden Konzentration im Saatgutmarkt zu rechnen.
Im Februar hatte das GeN – zusammen mit über 200 europäischen Verbänden und Vereinen aus Verbraucher*innen- und Umweltschutz sowie aus der Landwirtschaft – von den europäischen Ländern gefordert, ihre Landwirt*innen und Züchter*innen sowie die Bürger*innen und die Natur zu schützen. Alle neuen, gentechnisch veränderten Organismen müssen weiterhin einer Risikobewertung und Überwachungs-, Identifizierungs- und Erkennungsmethoden sowie der Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung entlang der Lebensmittelkette unterliegen.
Nun kommt es auf die Verbraucher*innen, Bäuer*innen, den Lebensmittelhandel und die Naturschutzverbände an, zu zeigen, dass diese laxere Regulation der Gentechnik nicht gewollt ist. Eine Möglichkeit ist es, diese laufende Online-Aktion von Demeter und anderen Bioverbänden zu unterstützen: https://www.demeter.de/gentechnik/aktion.
Judith Düesberg ist Ökologin und Mitarbeiterin des GeN.
Ansprechperson im GeN:
Judith Düesberg
Judith.dueesberg@gen-ethisches-netzwerk.de